Cheers, Ciao, Baba: Persönliche Antworten auf die Frage, warum ich's geil find', nicht zu trinken

by Jakob Horvat, November 1st 2018
Alkohol und ich, wir sind im Sommer wieder regelmäßig aneinandergeraten, fast täglich. Meistens war es lustig, öfters aber nicht mehr. Das subtile Gefühl, mir mit all dem keinen Gefallen zu tun, wurde immer weniger subtil. Außerdem wurde ich neugierig: Wie wäre es, ein Jahr lang nicht zu trinken? Keinen Tropfen. Wie würde ich mich fühlen? Am 31. August 2018 trank ich mein letztes Bier, zwei Monate sind seither vergangen. Eine trockene Selbstbeobachtung.
 
Ich war kein Alkoholiker, aber hatte ich ein Problem mit Alkohol?

Eine Frage der Perspektive. Aus Sicht des Partylöwen, der ich noch vor zwei Jahren war, eher nicht. Denn da war ich mit Menschen unterwegs, die noch viel intensiver und öfter feierten als ich. Da war ein wöchentlicher Rausch auf den Tanzflächen der Stadt und ein, zwei Bier nach Feierabend ein gemäßigter Konsum. Ich meine, man muss das in Relation sehen. Auch, wenn ich mich am Wochenende öfters nicht mehr genau erinnern konnte, was gestern war. Ehrlich möchte ich hier sein: Ich hab’s mir schöngeredet.

 
Alkohol war kein gelegentlicher Genuss, sondern ein regelmäßiger Begleiter

Wir pflegten keine unverfänglichen Flirts, sondern eine ernsthafte Beziehung. Deren Tragweite kann ich erst jetzt, aus der Distanz, in vollem Umfang wahrnehmen. Und zwar? Stellt euch das gesamte Spektrum der wahrnehmbaren Gefühle vor wie ein kurviges, unregelmäßiges Auf-Und-Ab entlang einer Zeitachse. Die Mittellinie ist neutral, kein Empfinden, emotionale Kälte. Ganz oben die Highs, pure Freude, Glückseligkeit. Ganz unten die Lows, Traurigkeit, harte Zeiten.

In beiden Extremen trank ich Alkohol. Entweder – hurra! – weil ich etwas zu feiern hatte. Oder weil mir die sanfte Betäubung schwerer Gefühle zu verlockend erschien. Harter Tag, heute habe ich mir ein Bier verdient. Oder, weil eines ja keines ist, vielleicht zwei. Ganz oben wie ganz unten schnitt ich mir mit dem Alkohol die Spitzen weg. Ich nahm mir damit die Gelegenheit, Emotionen in ihrer ganzen Bandbreite zu spüren. Ich wusste lange Zeit nicht, was ich mir damit angetan habe.

 
Vielleicht fragt ihr euch, was an ein bisschen Ablenkung schlecht sein soll?

Die Frage darf jeder für sich selbst beantworten. Ich für mich habe herausgefunden, dass ich meine Probleme dadurch nur scheinbar gelöst habe. In Wahrheit verdrängte ich sie. Im Moment ging es mir besser, doch mit jedem Tag, der verging, wanderte die negative Energie tiefer in mein Unterbewusstsein. Dort setzte sie sich ab wie ein Pilz, der langsam zu schimmeln begonnen und völlig unbemerkt auch andere Gefühle befallen hat. Die Folge waren Energieblockaden, die so tief saßen, dass ich mir ihrer nicht mehr bewusst war.

Da mag es schon vorgekommen sein, dass sich das Verdrängte irgendwann völlig unvermittelt an die Oberfläche schummelte. Seltsame Launen, plötzlich auftretender Groll oder ein durch das Verhalten anderer getriggerter Gefühlsausbruch. Es manifestierte sich des Öfteren der sogenannte „Oaschtog“ – österreichisch für: ein Tag, an dem ich froh bin, wenn er wieder vorbei ist.

 
Ein Paradebeispiel, aus dem Leben gegriffen

Meine Freundin und ich haben uns im Sommer voneinander getrennt. Ich hatte noch starke Gefühle für sie und – obwohl ich das so nicht zugeben wollte – bis zuletzt die Hoffnung, dass wir unserer Beziehung noch einmal eine liebevolle und aussichtsreiche Perspektive geben könnten. Konnten wir nicht, die geographische Distanz war zu groß für uns. Ich war traurig und enttäuscht, vor allem von mir selbst. Ich zweifelte an meinem Verhalten und meinen Entscheidungen.

Der erste, noch Hoffnung wahrende Teil der Trennung spielte sich im Frühsommer ab. Ich flüchtete mich in meine Ersatzbeziehung und machte mir ein Bier auf – die Ausrede in Griffweite: Wann, wenn nicht jetzt, sollte es erlaubt sein, zu trinken? Außerdem war Sommer, mein Urlaub stand vor der Tür – eh schon wissen. Den wirklichen Schlussstrich zogen wir erst später, da war ich schon abstinent. Der Fluchtweg war somit abgeschnitten, kein Verdrängen mehr, kein Wegschneiden der Spitzen. Der erste Schritt zur Heilung ist das Zulassen, nicht die Ablenkung.

Anders als im Frühsommer, begann ich jetzt damit, Verantwortung für meine Gefühle zu übernehmen und sie in vollem Umfang zu akzeptieren. Sie nicht mehr zu bewerten, sondern ihnen Raum zuzugestehen und sie bei der sanften Transformation zu beobachten. Aus einem schweren, schuldbewussten und energieraubenden Gefühl der Ablehnung gegenüber dem, was ist, wurde ein harmonisches Gefühl von Dankbarkeit und Zustimmung. Alles ist gut, wie es ist, sonst wäre es anders. Trust the Process. Aber erzähl’ mir solche Weisheiten im Gefühlschaos eines verkaterten Sonntags und ich setze dich vor die Tür.

 
Der regelmäßige Alkoholkonsum betäubte nicht nur meine Gefühle, sondern schadete auch meinem Selbstvertrauen

Kurzfristig schöpfte ich aus ein paar Gin Tonics zwar den Mut, schöne Frauen anzusprechen, albern zu tanzen oder mit Leitkegel auf dem Kopf in die Pratersauna zu spazieren. Doch irgendwann stellte ich mir die Frage: Was ist Selbstbewusstsein wert, wenn es nicht echt ist, sondern nur vom Rausch geliehen? Ich wollte ein Fan von meiner nüchternen Version werden, nicht von meiner betrunkenen. Wollte einen hohen Selbstwert als Default-Modus, nicht als kostspieliges Extra. Wollte Gespräche führen, an die ich mich am nächsten Tag erinnern kann – und möchte.

Die Sache ist die: Fühle ich mich stark und selbstbewusst, vertraue ich meinen Ideen und dem Lauf des Lebens, bin motiviert und zielstrebig. Fühle ich mich schwach und minderwertig, zweifle ich an mir und meinen Zielen, bin erschöpft und genervt. Je nachdem, welche Handlungen ich daraus ableite, komme ich in eine Aufwärts- oder Abwärtsspirale. Regelmäßiger Alkoholkonsum hat mich mental, emotional und körperlich geschwächt. Aber durch die Entscheidung, ein Jahr lang nicht zu trinken, ist ein Momentum entstanden, das sich jetzt positiv auf andere Lebensbereiche auswirkt.

Die Energie, die mein Körper früher benötigt hat, um die leeren Kalorien des Alkohols abzubauen, ist frei geworden. Ich investiere sie in Aktivitäten, die mir zusätzlich Energie geben. Wie Charles Duhigg in seinem sehr empfehlenswerten Buch „The Power Of Habit“ schreibt, kann man sich eine alte Gewohnheit nur abgewöhnen, indem man sie durch eine neue – idealerweise gesündere – ersetzt. Das erschien mir vernünftig.

Statt fünf Mal die Woche Alkohol, jetzt also sechs Mal die Woche Yoga

Ich schlafe weniger, dafür besser, wache mit einem Lächeln auf und freue mich darauf, den Tag zu beginnen – zu einer Uhrzeit, wo die Meisten noch schlafen. Weil ich früh aufstehe, kann ich mir jeden Tag zwanzig Minuten Zeit nehmen, um in Stille zu sitzen und Atmung, Gedanken und Gefühle zu beobachten. Ich denke positiver, bin entspannter, jage weniger hinterher, was ich zu brauchen glaube und lasse mehr passieren, was sein soll. Ich bin achtsamer, öfters im Flow und weniger getrieben.

Anstatt mein Feind zu sein, bin ich jetzt ein Fan von mir. Die „Oaschtog“ sind deutlich weniger geworden.

»Sei einmal leiwand!«

Auf ein paar Partys habe ich es seit 1. September geschafft, in meinem engeren Umfeld war ich meistens der Einzige, der nichts trank. Ich hatte trotzdem Spaß und gar nicht wenig, wusste aber im Unterschied zu früher, wann es Zeit war, heimzugehen. Einige zeigten Verständnis: „Das täte mir auch nicht schaden“, ließen sie mich wissen. Oft gefolgt von: „Ich glaube aber nicht, dass ich das schaffe.“ Die meisten Reaktionen bewegten sich irgendwo zwischen mitfühlender Akzeptanz und entgeisterter Ablehnung.

In Österreich gehört trinken zum guten Ton, viele empfinden die Enthaltsamkeit gar als unhöflich. „Warum trinkst du nicht? Bist du krank?“, hörte ich von Manchen. Einer hat im Halbscherz gesagt: »Sei einmal leiwand!«

Laut Gesundheitsministerium haben vierzehn Prozent der erwachsenen ÖsterreicherInnen ein Alkoholproblem. Ich glaube, es gab Zeiten, da war ich nicht allzu weit davon entfernt.

War es schwierig bis hierher?

Nein, im Gegenteil, derzeit habe ich kein Bedürfnis nach Alkohol. Ich empfinde kein Gefühl von Verzicht, sondern eines von Freiheit. Mein Versuchszeitraum ist ein Jahr. Vielleicht freue ich mich danach wieder auf einen Drink. Oder zwei. Vielleicht finde ich dann endlich eine gesunde Balance, trinke nur mehr gelegentlich und nicht mehr bei jeder Gelegenheit. Vielleicht aber geht es mir so wie einem Freund, der vor drei Jahren entschieden hat, für ein Jahr nichts zu trinken, bis heute nicht wieder angefangen und kürzlich gesagt hat: „Das war die beste Entscheidung meines Lebens.“

Wir werden sehen.

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