Raus aus Wien: Die ersten Schritte einer Weltreise

by Jakob Horvat, November 25th 2018
Viele Gründe fallen mir ein, warum das hier eine Nummer zu groß für mich ist. Viele dieser vor Selbstmissachtung triefenden Stehsätze, die mein Scheitern prophezeien. Jetzt schreien sie lauter denn je, doch der Nachmittagsverkehr übertönt sie. Ich stehe am Wiener Matzleinsdorferplatz, irgendwo zwischen Würstelstand, Bushaltestelle und Stadtausfahrt. »Arbeiterstrich« heißt dieser Ort im feinen Jargon, weil hier die Tagelöhner frühmorgens auf Jobs warten und darauf hoffen, dass sie einer zur nächsten Baustelle mitnimmt. Ich will nicht arbeiten, sondern eine Mitfahrgelegenheit raus aus der Stadt.

 

Der graue November prasselt auf den Regenschutz, den ich vor wenigen Minuten über meinen frisch gepackten Rucksack gespannt habe. Darin hat alles Platz, was ich in den kommenden vierzehn Monaten brauche. Also, beinahe alles. Die notwendige Körperkraft, um die zweiundzwanzig Kilo Marschgepäck um die Welt zu schleppen, darf ich mir noch antrainieren. Derzeit fühlen sich meine Schritte noch schwerfällig und steif an – und sehen vermutlich auch so aus. Doch das ist nicht der Grund für die erhöhte Aufmerksamkeit, die mir hier zuteil wird. Ich halte ein Kartonschild in die Höhe, das einige Passanten nervös zu machen scheint, als wüssten sie nicht, ob sie den Arzt oder die Polizei rufen sollen. Darauf steht in dicken schwarzen Lettern:

»Südamerika«

»Cheers« sagt Martin mit regennassen Haaren und lässt den Verschluss der Ottakringer-Dose zischen, die er uns zur Feier des Tages von der Tankstelle geholt hat, vor der wir uns positioniert haben. Ich habe den charmanten Norweger vor fünf Jahren in einer Bar in Bangkok kennengelernt. Seitdem bin ich fasziniert von seinem wachen Geist, seiner weltoffenen Art und seiner Fähigkeit, Gespräche zu führen. Martin kann auf der Straße eine wildfremde Person ansprechen und mit ihr zwei Minuten später das Paarungsverhalten kongolesischer Berggorillas erörtern. Er stellt kluge Fragen, findet originelle Lösungen für noch originellere Probleme und glaubt an das Gute in der Menschheit. Martin ist schon mehrmals durch Europa getrampt, ich hingegen stoppte gerade einmal vom Dorffest nachhause. Es tut gut, diese Reise mit jemandem zu beginnen, der sich auskennt. Von ihm darf ich lernen, nicht nur übers Trampen, auch über Sanftmut und Lebensfreude.

Passanten bummeln vorbei. Einige lachen über unser Kartonschild, einer klopft mir auf die Schulter und sagt: »Viel Glück.« Die grauen Blicke der vorbeifahrenden Autofahrer sprechen zu uns. Mit Mund und Augen weit geöffnet und mitfühlendem Wienercharme: »Hams denen einbrochen?« Niemand bleibt stehen.

Hermann Hesse hat einst meisterhaft formuliert: »Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne«, der uns euphorisch stadtauswärts trägt, seit vier Stunden, immer noch zu Fuß. Mittlerweile ist es dunkel und wir sind geschätzte drei Kilometer entlang der Triester Straße in Richtung Autobahn gewandert. Ich glaube nicht, dass uns bis jetzt irgendjemand ernst genommen hat. Wir haben unsere Strategie adaptiert, sprechen nun Menschen auf Tankstellen an und fragen um eine Mitfahrgelegenheit in Richtung Süden.

Dann, endlich, erbarmt sich einer. Peter kommt gerade von der Arbeit, fährt heim nach Guntramsdorf und nimmt uns bis zur nächsten Raststation mit. Bis dorthin sind es zwar nur siebzehn Kilometer, aber immerhin, wir sind auf der Autobahn. Mit jeder Stunde, die ins Land zieht, ziehen wir ein Stück weiter hinaus. Langsam und gemächlich, Stress haben wir keinen.

Raststationen sind die perfekten Hitchhiking-Spots. Sie liegen direkt an der Autobahn und wer hier tankt, hat in der Regel noch eine weitere Strecke vor sich. Nicht per Kartonschild am Straßenrand, sondern im Rahmen eines persönlichen Gespräches an der Zapfsäule um eine Mitfahrgelegenheit zu bitten, bietet zudem größere Erfolgschancen. Dafür sind aber auch die Zurückweisungen unmittelbarer. Ein Mann überhört meine Frage absichtlich, dreht sich weg, möchte in Ruhe gelassen werden. Natürlich, es ist nicht jedermanns Sache, zwei fremde Männer in ihrem Auto mitzunehmen. Die Angst sitzt tief bei Vielen, auch das bekommen wir zu spüren. Im nächsten Augenblick geht ein junger Mann an mir vorbei, zurück zu seinem Auto mit Grazer Kennzeichen.

»Wo wollt ihr zwei denn hin?«

»Graz wäre fein«, antworte ich.

»Steigt ein, ich nehm’ euch mit«, sagt der Student und egalisiert damit auf einen Schlag die dutzenden Körbe, die wir uns heute geholt haben. Martin unterhält sich mit ihm, während ich uns eine Schlafgelegenheit in Graz organisiere.

Wir dürfen bei Leandro übernachten, dem ich vom Rücksitz aus auf couchsurfing.org geschrieben habe. Wir kennen einander nicht, doch der Slogan der Website, die Gratis-Schlafplätze vermittelt, ist auch in den Köpfen ihrer Nutzer Programm: »You have friends everywhere. You just don’t know them yet.«

Bist du ready, um deine 3 größten inneren Saboteure zu transformieren?

Werde Teil unserer Community und hol' dir meine 1,5-stündige MASTERCLASS inkl. LIVE-MEDITATION als Willkommensgeschenk kostenlos in deinen Posteingang!

Schön, dass du nun Teil der Community bist! Danke für deine Anmeldung zu meinem Newsletter. Du bekommst in Kürze ein E-Mail mit deinem Bestätigungslink. Falls nicht, schau bitte auch in deinem Spam-Ordner nach :-)

Pin It on Pinterest

Share This